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Karriereende




Karriere – das ist so ein Lieblingsding von mir, seit ich im Berufsleben stehe. Es ist so ein 80iger und 90iger Ding. Damals war es schon ein MUST, Karriere zu machen, eine eigene Firma gründen, oder die Karriere bei Bank, Versicherung, Hotel, Sport und so weiter. Erst eine solide Ausbildung und dann ging es los mit der Karriere.


Wahrscheinlich ist es eine Alterssache, aber in letzter Zeit stolpere ich oft über Berichte zum Thema: «Was, wenn die Karriere zu Ende ist». Ob die Pensionierung oder auch die Sportkarriere, die zu Ende geht. Und dann? Ja dann, so wird uns gesagt, dann erlebt man den zweiten Frühling, nämlich dann kann man eine zweite Karriere starten. Und dort, wo man Karriere gemacht hat, dort werden Workshops angeboten, wenn sich am Berufshimmel der Herbst abzeichnet. Ideal ist es, wenn die Partnerin oder der Partner mitkommt, damit sie oder er auch hört und erlebt, was dann zu erwarten ist. Ich wurde letzthin auch angeschrieben, ich solle mich doch registrieren lassen für ein Ü50-Netzwerk, denn man würde uns noch lange brauchen. Ich habe diese Aufforderung mal in meiner Inbox liegenlassen, sie also nicht gelöscht, denn es könnte ja sein, dass ich mich tatsächlich registrieren lasse. Dann nämlich, wenn meine Karriere zu Ende ist. Karriere ist ein Wort, welches ich immer mit Erfolg verbinde, eine Erfolgsgeschichte also. Man kann Resultate ausweisen, man wird gefragt und man ist gefragt. Und wenn diese Erfolgsgeschichte dem Ende zu geht, dann ist man sich vielleicht bewusst, was so ein Ende auslösen kann. Bei all den Karrieremenschen, die erfolgreich eine Ich-AG geführt oder ein Unternehmen an die Spitze gebracht haben, die erfolgreich einen Bereich geleitet oder sogar im Sport Siege gefeiert haben, kommt das grosse schwarze Loch. So die vielen Berichte. Und mir kann niemand sagen, dass die Angst vor diesem grossen schwarzen Loch sich kompensieren lässt mit Walking, Grosskinder hüten, Kreuzfahrten oder Einladungen zu Podien, an denen über vergangene Erfolge referiert wird und die Redezeit immer kürzer wird.


Ich befinde mich also in einem so genannten Zwischenhoch. Die Berufswelt will mich noch, aber für die Silver-Ager bin ich noch zu unreif. Ich befasse mich also mit dem Hier und Jetzt und dann schaue ich ab und zu in die Ferne. Was ich jedoch weiss und wovon ich nie in den Genuss kommen werde: Es gibt eine Karriere, die nie zu Ende geht – ausser mit dem Tod natürlich. Das ist die Mutter-Karriere. Die wohl längste und zuweilen auch undankbarste Karriere. Die Mutter, die immer Mutter bleibt, egal wie alt und egal, ob mit oder ohne Grosskinder. Eine Karriere ohne Boni, ohne Absicherung, ohne Zeitungsartikel, ohne Medaillen, ohne Applaus – ausser vielleicht an einem runden Geburtstag, wenn alle Kinder mit Anhang und Grosskindern erscheinen. Es ist eine Karriere, die von Geduld und Demut geprägt ist, eine Karriere, wo einem von allen Seiten reingeredet wird und man viel ertragen muss. Und manchmal, manchmal frage ich mich, ob all diese Mütter nicht einfach mehr verdienen. Nicht Geld, aber Anerkennung und Wertschätzung. Nicht nur am Muttertag – der wohl dämlichsten Erfindung, seit es Mütter gibt. Nein, was die Mütter wollen, ist Zeit – Zeit, die wir Kinder nicht zu haben scheinen, weil wir ja Karriere machen wollen oder müssen.


Dies ein paar nachdenklichere Zeilen. Im Wissen, dass jetzt die Zeit anbricht, in der wir angeblich eben keine Zeit haben.


Ich bin durch für heute.

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