Ich liebe Listen und ich liebe schwarze Moleskine-Bücher jeglicher Art und Grösse. Mein Lieblings-Moleskine trage ich immer bei mir, dieses schwarze Büchlein ist seit Jahren mein ständiger Begleiter und dort werden Ideen, Gedankenblitze, die aktuellen Kleidergrössen der Gottekinder, Gurtlängen wie auch verschiedene Codes notiert. Und in der Buchmitte führe ich eine Liste. Auf der Liste ist aufgeführt, was ich bis 50 erledigt und erlebt haben möchte. Das Problem dieser Liste ist: Die 50 kommt immer näher und die Liste wird immer länger. Nun gibt es zwei mögliche Gründe: Entweder bin ich einfach im Larifarimodus oder aber die Punkte auf der Liste sind zu ambitioniert. Wenn ich diese Liste betrachte, ertappe ich mich dabei wie es durch meinen Kopf schreit: «Tu es doch!» Und dann flüstert eine andere Stimme: «Du hast noch Zeit.» Zugegeben, diese Liste stresst mich ein bisschen und die Versuchung, diese eine Seite einfach rauszureissen und wegzuschmeissen, ist gross. Die Liste zeigt mir aber auch meine Wünsche und Träume auf und statt Stress auszulösen, sollte ich es umwandeln in eine positive Lebensmotivation. Wir machen uns immer wieder viel zu viele Gedanken rund um die W-Fragen.
In der Thronfolge bin ich die Nummer 4. Meine Brüder haben seit diesem Jahr alle die 50 erreicht, aber die haben sicher keine solche Liste, zumindest nicht in einem kleinen, schwarzen Moleskine-Buch. Ich bin nicht nur die Nr. 4, ich bin auch noch mitten in den 40ern. Also nehme ich nun die ersten vier Punkte auf der Liste? Oder wähle ich die vier attraktivsten Punkte aus und starte endlich mit der Umsetzung meiner Wünsche und Träume? Etwas tun, das einem gut tut – oder zumindest liest es sich so, aber wenn ich es nicht tue, dann weiss ich ja nicht, wie es sich anfühlt. Dann buche ich doch endlich diesen Match auf der Insel im legendären Old Trafford. Und warum habe ich wieder einen Sommer verstreichen lassen und wieder ist es nichts gewesen mit der Motorbootprüfung? Bis ich diese Prüfung schaffe, hat mein Bruder Reto (Thronfolge Nr. 2) sein Motorboot längst verkauft. A propos Sommer, der vorbei ist – seit Jahren schwebt mir dieses Cabriolet vor... ich muss wirklich nicht warten, BIS ich 50 werde, nein ich sollte es JETZT tun. Und wer bitteschön schreibt eigentlich vor, dass man Cabriolets im Frühling zu kaufen hat? Eben.
Was mich von der Erfüllung dieser Wünsche abhalten könnte, ist vielleicht meine Vernunft, mein Gewissen, meine Pünktlichkeit, meine Zuverlässigkeit. Und über all diesen (positiven?) Eigenschaften steht die Grossmacht, die mich davon abhält: die Arbeit.
Und vielleicht ist es nur so eine billige Ausrede, weil ich Schiss habe, bei der Bootsprüfung in hohem Bogen zu fliegen. Oder davor, im Old Trafford in den Hooligansektor zu geraten. Aber so what? Die können mich da doch eh nicht gebrauchen. Und gerade jetzt schreit es wieder in mir: «Tu es doch!» Andererseits... Notfalls wird die 50 zur 60. Denn was mache ich, wenn ich tatsächlich bis 50 die Liste abgearbeitet habe? Es muss nicht immer auf jede Frage eine Antwort geben.
So geht das.
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