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Die, die schweigen

Bevor ich nun Zitate schreibe zum Schweigen, erzähle ich lieber ein paar Gedankengänge. Es ist ja so, dass es die Menschen gibt, die so richtig aufdrehen und in Hochform kommen, z.B. an Festen, Feiern oder schlicht in guter Gesellschaft, egal ob mit vier oder vierzig Personen. Dazu gehöre zweifelsohne ich. Und wenn dann noch Gleichgesinnte zugegen sind, dann ergibt ein Wort das andere Wort und man schaukelt sich gegenseitig hoch. Die Post geht ab und ehrlich gesagt, ich liebe es.


Im Juli feierten wir den 60sten Geburtstag meines Cousins und meines Bruders (Thronfolge Nr. 1). Mein Bruder kann zwar eine richtige Festhütte sein, aber nicht, wenn er die Hütte selber buchen muss und die Organisation übernehmen sollte. Dafür hat er meinen Cousin, der hat alles arrangiert und organisiert. Jetzt ist es ja so, dass solche Feste mit Mehranteil Familie eben auch so gefeiert werden, also mit Mehranteil Familie. Man fügt die zwei Familienoberhäupter (Mütter) und ihre Familien zusammen, dazu kommen Partnerinnen der Kinder und Kindeskinder und die haben Freundinnen und Freunde und schnell einmal hat man die Familienmehrheit. So sich denn alle immer einig wären, z.B. politisch, hätte man innerhalb von wenigen Minuten eine Mehrheit. Nun, innerhalb dieser Familien gibt es eine Hierarchie – der Platz oben ist ganz klar, wer diesen innehat und die Fäden in der Hand hält und lenkt und dies mit einer Sicherheit, die mich immer wieder erstaunen lässt. Sollte ich nur ein paar von diesen Muttergenen in mir haben, dann könnt ihr euch alle warm anziehen. Ich sag’s ja nur, es muss nicht so sein. Es könnte aber.

Die Feier fand in der Zentralschweiz statt und zu Wochenbeginn habe ich mir gedacht, m-hm, mal kurz nachfragen wie die Mütter gedenken, vom Oberland in die Zentralschweiz zu gelangen. Meine Mutter teilte mir mit, sie würden zusammen fahren; die Mütter also fahren zusammen in der Ferienzeit an einem Samstag über den Brünig in die Zentralschweiz. Und dann nahm die Geschichte Fahrt auf, Leute, ich kürze jetzt ab, denn es würde endlos werden. Etwas schwer atmend nahm ich diesen Entschluss zur Kenntnis und wusste bereits: Ich will das nicht. Vor allem wenn da Brüder sind, die zwar von diesem Vorhaben noch nichts wissen, aber die Ladies durchaus bis vor die Türe chauffieren würden. Aber eben – die Hierarchie. So folgten dann SMS innerhalb der Familie und es folgte die verdeckte Organisation hin und her und ich bringe die Mütter, du kannst sie dann am Sonntag nach Hause fahren undundund. Schlussendlich waren die Mütter on time auf dem Parkett, aber natürlich nicht ganz so wie ich es wollte, aber ich bin ja nur Thronfolge 4.


Jetzt waren wir also beinahe komplett, ausser meinem ältesten Bruder, der dann mal eine fette Stunde zu spät zu seiner Geburtstagsfeier erschien, aber immerhin noch rechtzeitig zum Familienfoto. Es war dann so wie in einer Disco unserer Zeit, der Lärmpegel steigt kontinuierlich und man trifft Leute, die man ewig nicht gesehen hat und solche, die man erst gestern gesehen hat und es geht munter zu und her. Die Kindeskinder, die Partnerinnen, alles fügt sich zusammen. Und dann sass ich auf einmal neben meinen Brüdern. Meine Mutter sass neben ihrem Erstgeborenen, stolz und glücklich, wieder einmal an einer Feier zu sein.

Nach dem Hauptgang gab es die ersten Verschiebungen der Sitzplätze und der Lärmpegel stieg immer weiter an. Mein Bruder fragte mich etwas und ich musste nachdenken und dann traf es mich plötzlich und völlig unerwartet. Ich schaute zu meiner Nichte und meinen Neffen, die da am Rande des Tisches sassen und einfach vor sich hinstarrten und sich wahrscheinlich mehr als nur langweilten. Mein Blick ging weiter zu anderen Partygästen und ich blickte in Gesichter, die einfach diesem Treiben belustigt zusahen. Und dann wurde mir schlagartig bewusst: Für ein wirklich gelungenes Fest braucht es die Ein- und Anheizer, aber es braucht eben auch die Menschen, die schweigen und zuhören und zusehen. Und diese Menschen können eben ein gutes Fest ausmachen und Kinder mögen sich ihre Sache denken, aber glaubt mir, eines Tages werdet ihr auch so sein – ihr gehört zum Clan.


Und wer nun denkt, am Sonntag sei ich auf dem direkten Weg mit meiner edlen Fracht an Bord ins Oberland gefahren, der hat sich getäuscht. Fein und bestimmt haben sie den Takt angegeben, die Schwestern, die diesen Clan zusammenhalten. Es war trotz allem und vielleicht gerade deshalb eine wunderbare Fahrt hin und zurück.

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