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Das Erdbeerkind

Einkaufen und Tramfahren sind für meine Blogs die pure Inspiration. Doch der Reihe nach. Als ich letzthin den Wocheneinkauf gemacht habe und etwas ratlos vor den Gemüse- und Früchteregalen stand, hörte ich einer Mutter zu, die mit ihrem Kind einkaufen war.


Das Kind hatte die Erdbeeren entdeckt – wir schreiben an diesem Tag den Monat Februar. Das Kind zeigte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger auf die Erdbeeren und brüllte grediuse. Ja, das sind so Situationen, da beneide ich die einkaufenden Mütter nicht. Die Mutter ging auf Augenhöhe zum Kind (ca. 4 Jahre alt) und erklärte dem Kind, dass man im Februar weder Erdbeeren kauft, noch isst. Das Kind war uneinsichtig und brüllte weiter, die Mutter redete geduldig und leise mit dem Kind – sie führten ein Erdbeer-Februar Gespräch. So weit so gut. Dann stand eine ältere Frau dazu und rief entzückt: «Ah, da ist ja die XY (das Kind), oh, wettisch du Ärdbeeri?» Die Kindesmutter begrüsste die ältere Frau, offenbar eine Nachbarin. Und das Kind brüllte weiter. Dann sagte die ältere Frau, ach XY weiss so genau was sie will, das wird bestimmt mal eine gute Anwältin, wie der Papa. Die Mutter blickte erst etwas verstört und stimmte dann ein in die Berufschancen ihrer Tochter. Und bevor ich mitbekam, dass sie dieses Kind gleich bei der Uni per SMS einschreiben, ging ich weiter und dachte: Anwältin, warum nicht, weil der Papa ja Anwalt ist. Machte alles so Sinn, wie Erdbeeren im Februar. Ich für meinen Teil denke bei diesem Kind eher an eine Karriere als Fussball- oder Eishockeytrainerin der alten Schule. An der Seitenlinie brüllend – schliesslich hat sie ein gutes Brüllorgan.


Eine Station weiter fragte ein Rentner eine Frau, die Regale einräumte, nach einem Produkt. Der Rentner erhob seine Stimme schon etwas drohend und sein Gesichtsausdruck wäre hinter einer Maske besser aufgehoben gewesen. Die Frau antwortete dem Mann, sie müsse nachfragen, sie wisse es nicht. Und dann brüllte dieser frustrierte Mann die Frau an von wegen ‘in diesem Laden wisse niemand Bescheid’ und lief einfach davon. Was bleibt einem da übrig, als mit den Schultern zu zucken.


Eine Station weiter führte eine Frau vor dem Waschmittelregal Selbstgespräche. Ja, das mache ich auch, vielleicht nicht gerade vor dem Waschmittelregal, aber kann durchaus vorkommen. Das Problem war nur, ich musste genau zu dem Produkt, vor dem sie stand und mit dem sie offenbar redete. Also. Ich mit einem freundlichen «Exgüse, darf ich hurtig…», weiter kam ich nämlich nicht, denn die schaute mich an, als wäre ich der Teufel persönlich. Also nein – also zur Kasse.


Ich gebe es zu, die Kasse ist meine grösste Einkaufsfreude. Da arbeitet eine Frau, die hat es mir angetan. Sie ist immer aufgestellt, hat für alle und jeden ein gutes Wort und sie kennt einem. Sie ist nicht aufdringlich, sie ist einfach sie. Und ich ziele immer dorthin, wo sie ist. Wenn sie an der Kasse ist, lade ich die Waren aufs Laufband, wenn sie beim Self-Checkout steht, checke ich self aus. Und heute stand sie also dort, wo man self musste. Ich suchte den Blickkontakt, aber die Frau war mit einem stinkenden Menschen beschäftigt, der sein Sixpack Bier selber auschecken wollte. Und dann fuhr er diese Frau noch blöd von der Seite an. Grundlos, als hätte sie diese Self-Checkout-Maschine erfunden.


Und dann machte ich etwas, das ich schon bei den Erdbeeren hätte machen sollen. Einfach in normaler Stimmlage, aber bestimmt sagen: «U bi öich, geits?», denn auf diese Frau lasse ich nichts ankommen und überhaupt auf all diese Mitarbeiterinnen in diesen orangen Läden. Ein bisschen mehr Respekt bitte, diese Mitarbeiterinnen leisten grossartige Arbeit. Und die Frau dort, die, die ich so gut finde, der sage ich das nächste Mal, was ich für sie empfinde, denn sie hat es wahrlich verdient. Für mich eine grossartige Cooplady.


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