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Wunschkonzert

Als ich Kind war, gab es so ein Ritual, welches ich nie vergessen werde. Am Montagabend durfte ich mit meiner Mutter die Gemeindebibliothek besuchen – nur meine Mutter und ich. Dann kamen wir nach Hause und ich verkroch mich mit meinen neuen Büchern in mein Zimmer und meine Mutter bügelte meistens. Dazu hörte sie das Wunschkonzert, damals hiess der Sender noch Beromünster und bei unserem Radio gab es ein Rad mit sechs Sendern. Es war meistens die 5, Beromünster, meine ich. Das Wunschkonzert dauerte drei Stunden und war in drei Musikrichtungen aufgeteilt. Den ersten Teil verpassten wir meistens, den Ländlerteil. Ab 21 Uhr wurde dann auf Pop und Rock geschaltet und nach 22 Uhr kam die Klassik zum Zug. Bei Pop und Rock war ich auch dabei und ich weiss nicht genau, wie oft ich den Song mit dem LKW Funk und irgendeinem Teddybären gehört habe. Ebenso Peter Maffays 7 Brücken und dann noch Gitte. Aber das war damals so. Einmal im Jahr gab es ein Wunschkonzert für die Kranken und dann noch für die Gefangenen. Ist im Fall wahr. Ich weiss auch, meine Mutter nervte sich immer etwas über die Grüsse, die da gesendet wurden. Vor allem diesen da: «Ich grüsse alle, die mich kennen.» Heute verstehe ich meine Mutter. Meine Mutter hörte natürlich das Wunschkonzert bis zum Ende. Inklusive Klassikteil, das war schliesslich und endlich der Teil, der sie interessierte und mit einem Wäscheberg von einer sechsköpfigen Familie war es nicht verwunderlich, dass sie es bis zum Ende schaffte. Ja und wenn wir schon bei damals sind, damals wurde noch alles gebügelt und zwar picobello. Am nächsten Tag durften wir unsere Wäschebigeli abholen und in unsere Schränke versorgen. Es hat mich geprägt, denn ich bügle auch gerne. Zwar nicht montags und mit dem Wunschkonzert im Hintergrund, aber bei mir läuft der TV und das meistens samstags. Als ich in die Ferien fuhr, empfing ich – DAB sei Dank – einen Sender der Zentralschweiz. Und auf diesem Sender wird täglich von 10.30 bis 11.30 Uhr ebenfalls ein Wunschkonzert gesendet. Heute gibt man die Grüsse mit WhatsApp-Sprachnachricht durch oder wie auch immer. Aber diese Grüsse sind nun wirklich nicht zu überbieten. Und weil ich dachte, es sei eine Ausnahme – und wiederum DAB sei Dank – habe ich mir diese Sendung noch zwei Mal angehört. Da gab doch einer einen Gruss an sich selber durch, dann noch einen für seinen Neffen, der Geburtstag hatte und einen weiteren an seine Schwägerin, mit dem Kommentar: «Für Netty, die alte Schachtel.» Und der fand das komisch und ich fand es doof. Dann einer vom Muotathal und ich habe jetzt wirklich kein Wort verstanden, was der gesagt hat und der wünschte sich Status Quo. Überhaupt sind die Musikwünsche äusserst vielfältig. Ja da wundert man sich noch oft, was so gewünscht wird. Und da läuft mein Kopfkino auf Hochtouren. Wie sieht jetzt einer aus, aus dem Muotathal, der sich Status Quo wünscht und den man nicht versteht? Oder wie sieht der Schwager von Netty aus? Und wie wohl Netty? Da sind meiner Phantasie keine Grenzen gesetzt und ich kann mich manchmal Stunden damit beschäftigen. Ich wäre an sich mit dem Gruss überfordert, aber auch mit dem Musikwunsch. Und ich muss jetzt ehrlich sein: Ich habe mir also während meiner Ferien dieses Wunschkonzert angehört, so ich dann konnte und ein DAB-taugliches Gerät in der Nähe war. Einfach nur fürs Amusement und dieses Amusement ist offensichtlich so gut, dass es einen Blog wert ist.


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