In meinen TV-Anfängen (schwarz-weiss) gab es eine Sendung die hiess «Was bin ich?». Moderiert von Robert Lembke. Die Ratefüchse suchte man in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. In der Mitte die Zielperson. Die Füchse durften dann 10 Fragen zum Beruf stellen; vorgängig gab es noch eine typische Handbewegung. Ein Berufsboxer hat es nie in die Sendung geschafft.
Heute ist diese Frage aktueller denn je. Nicht per se auf das Berufsleben bezogen, sondern eher auf die Person. Ich war zu einem Anlass eingeladen und da erlebte ich diese Frage auf eine ganz neue Art. Bevor der Star des Tages auf die Bühne kam und die Frage der Fragen beantwortete, eröffnete und begrüsste der Chef bzw. der CEO der Firma die Anwesenden. Ich muss dazu sagen, es waren viele Leute da und ich übertreibe nicht, zu 90% waren es Männer, in Führungspositionen. Das ist angesichts der Geschichte noch ein wichtiger Aspekt. Es gibt Menschen, die sind tatsächlich witzig und sehr schlagfertig und dies ungekünstelt. Herr CEO gehörte leider nicht zu dieser Kategorie, aber er hatte ein dankbares Publikum, sie fanden es witzig und hinter mir meinte einer seiner Jünger: «Der Philipp ist einfach ein geiler Typ.» Dann wurde der Star angekündigt und bevor er die grosse Bühne betrat, schleppten zwei Hostessen in Deuxpièces einen Flipchart auf die Bühne – für den Star natürlich. Und dann ging die Show los, der Referent referierte über Leadership und Management und dies in einer Art und Weise, ich hatte zeitweilen das Gefühl ich sitze im Publikum einer amerikanischen Wahlveranstaltung. Da wurde gebrüllt, geklatscht und gekreischt. Und wenn der Referent sagte, man solle die rechte Hand heben, dann hoben alle brav die Hand. Dieser Referent hatte es wirklich drauf, er erzählte von all den wichtigen Persönlichkeiten, die er gecoacht hatte und vor allem: Er hat sie zum Erfolg geführt. ER und nur ER. Innerhalb einer Stunde wurden mir die wichtigen Lebensfragen beantwortet. Nämlich:
- Wer bin ich? Wie wirke ich auf mein Gegenüber?
- Wie lasse ich Luft (neues Wort für Stress) von meinem Ego?
- Was für ein Typ Leader bin ich?
Bei der letzten Frage brachte sich Herr CEO ein und meinte dann über Mikro in die Runde, er, der Herr CEO, habe jetzt zu seiner Assistentin gesagt, er sei so gespannt, welcher Leadertyp er sei. Und wieder riesiges Gelächter und ich meine, der war ja wirklich sowas von gut, dieser Einschub. Zu guter Letzt gab es noch zehn Minuten für Fragen. Herr CEO, mittlerweile wieder auf der Bühne im Globus Set – kleiner Heber des Anzugs, damit man sieht – BOSS. Er unterstrich übrigens seine Persönlichkeit mit lustigen Socken. Also wie seine Jünger schon festgestellt hatten, er hat es wirklich drauf. Herr CEO rief auch zu Fragen auf und meinte dann mit einem verschmitzten Lachen, die charmanten Hostessen würden dann mit dem Mikrofon zum Fragesteller kommen. So war es auch, die charmanten Hostessen flitzen in ihren Stöckelschuhen durch die Reihen. Die Fragen, die waren bereits ausgemacht, weil in der Schweiz fragt niemand einfach so und schon gar nicht an einem solchen Anlass. Und die Herren auf der Bühne nickten eifrig und fanden jede Frage ach so gut und wirklich überlegt.
Eigentlich wäre ich noch zum Essen eingeladen gewesen, aber mein Bedarf an Fragen zu meinem Ego war gedeckt und so liess ich die illustre Gesellschaft hinter mir. Als ich über eine der Brücken Berns zurück zum Büro ging, sah ich im wunderbaren Herbstlicht Eiger, Mönch und Jungfrau strahlen und ich sehnte mich nach dem Berner Oberland. Und in meiner Sehnsucht wurde mir bewusst: Ich weiss, wer ich bin und Lebensfragen stelle ich keinem Typen, der auf der Bühne steht und Ballone aufbläst, um zu demonstrieren wie wir mit Stress umgehen sollen. Ich muss mich auch nicht fragen, wie ich auf mein Gegenüber wirke, denn ich muss nur so sein, wie ich bin.
So geht das. Und wenn es Fragen zum eigenen Ego gibt, dann schaut zu diesen prächtigen Bergen und fragt euch, warum bloss müssen wir uns immer so gross denken und fühlen?
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