Sag mir welches Auto du fährst und ich sag dir, wer du bist, wie du fährst usw. Mein Vater fuhr immer so schicke Schlitten, was ab und an zu einer kleinen Müllerschen Ehekrise führte, da meine Mutter diese BMWs schlicht doof fand. Ich wusste damals noch nicht so recht, zu wem ich nun stehen sollte, ob zu meiner Mutter mit ihrem orangen Renault 5 oder doch eher zu Vaters schicken BMW. Wie auch immer, in die Ferien fuhren Müllers mit einem Budeauto, einem Ford Granada in lindengrün und mit Kunstledersitzen. Und das ging in etwa so (ich bediene mich der Fahrt nach Spanien, Costa Brava, als alle Kinder die Familienferien mitgemacht haben). Morgens um 3 oder 4 war Abfahrt angesagt. Mein Bruder Alex (Thronfolge Nr. 3) und ich hinten im Kombi, in den Schlafsäcken. Die Thronfolger 1 und 2 sassen auf der Rückbank. Mutter Anita mit Picknickkorb startete auf dem Beifahrersitz und Vater Christian lässig am Steuer, mit einer Parisienne im Mundwinkel. Heute UNVORSTELLBAR.
Es ist noch dazu zu sagen, dass es hinten in diesem Firmenauto nach ausgelaufenem Leim stank. Bruder Alexander und ich lagen also im Leimflash und vorne dampfte Vater seine Zigaretten. Die Koffer wurden oben aufs Dach gebunden, der Plastik, den man vorsichtshalber um die Koffer band, schepperte schon in Boltigen aufs Dach. Notabene bis nach Spanien oder wo sich auch immer das Ferienziel befand. Im Wissen, dass wir zu dieser Zeit nicht die einzige Familie waren, die so in die Ferien fuhr (ausser der Vater war Nichtraucher), schreibe ich das so nieder, weil ich mich immer sehr gerne an diese Fahrten erinnere. Und dann irgendwann kam Langeweile auf. Meine Brüder erfanden immer unmögliche Spiele, so dass ich wirklich unter die Räder kam. Dann folgte ein Autoritätsschrei von vorne und wir waren mal wieder ruhig für dreissig Minuten. Ein Spiel ging so (meine Brüder werden mich lieben, weil ich das so öffentlich erzähle. Wahrscheinlich brauche ich Asyl, wenn ich das nächste Mal nach Hause gehe). Reto war der Erfinder. Mittlerweile sass nämlich der Thronfolger 1, Michael, auf dem Beifahrersitz, weil er sich so unmöglich benommen hat. Mutter Anita sass zwischen Reto und Alex, weil die sich nicht besser benommen haben. Also Reto sass neben mir (wie schon so oft in unserem Leben, Reto an meiner Seite). Dann sagte er zu mir: «Wer zuerst eine Verkehrstafel sieht, darf den anderen ohrfeigen.» Ja, liebe Leute, so ging das damals zu und her. Da ich aber viel zu klein war, sah ich diese Tafeln natürlich viel zu spät oder gar nie und nach der zweiten Ohrfeige (die waren übrigens harmlos) kam erneut der Autoritätsschrei von vorne und meine Mutter massregelte ihren Sohn aber so was von.
Heute wird ja ganz anders verreist. Ein Zauberwort heisst THULE. Seit diesem Winter fällt mir auf, Thule ist wirklich en vogue. Es gibt natürlich auch hier verschiedene Modelle, aber das Deluxe Modell finde ich ja voll der Hammer. Diese Thulebox ist ein XL-Monster, da kann man sogar Hund und Katze versorgen. Hätten wir damals eine Thulebox gehabt, ha, ohne Plastikklopfen durch Frankreich brettern bis nach Spanien und retour. Also wer wirklich etwas auf sich hat, hat eine Thulebox. Ohne geht’s nicht mehr und in meiner Thuleboxgoogleeinheit (lies halt zweimal) habe ich festgestellt, die kann man auch mieten. Übrigens korrekt heisst sie «Thule-Dachbox». Als ob man eine Thulebox mal so durch den Kofferraum schieben würde.
Ja und dann sind wir bei den kleinen, niedlichen Monitoren für Kinder. Wahrscheinlich von Kindern in Bangladesh oder China für Kinder gemacht. Schick oder? Was hätte ich damals darum gegeben, so einen Monitor zu haben und mir als heutigen Serienjunkie Globi, Paddington oder die kleine Hexe reinzuziehen. Ha, weit gefehlt. Denn bei Müllers gab es schon noch eine gewisse Hierarchie. Ich komme schliesslich bei der Thronfolge auch an letzter Stelle, somit hätten wir dann wahrscheinlich Daktari, Lassie oder Flipper angeschaut. Alle vier Müller-Kinder schauen still und leise in den TV, wir sind auf der Autobahn in einem VW Touran, Sharan – ah nein, mein Vater hätte bestimmt einen Mercedesbus gekauft – gleiten dahin, Thuledachbox Modell DELUXE auf dem Dach, Klimaanlage auf 21 Grad. Mein Vater raucht nicht, neinnein, der überlegt sich die Golfrunde in Spanien und meine Mutter stellt sich schon mal das wunderbare Essen im Restaurant vor, mit einem feurigen spanischen Kellner. Die Kinder würden alle ganz ruhig am Tisch sitzen und essen comme il faut Paella.
Ich würde echt viel bezahlen, um noch einmal so eine Reise zu machen mit dem Ford Granada und meiner Familie und das Oberhaupt mit einer Parisienne super im Mundwinkel. Unvergesslich. Und der sah ja sowas von cool aus.
Übrigens, damals in Spanien hat man unsere Ferienwohnung ausgeräumt. Das waren die letzten Familienferien im Ausland, danach fuhren Müllers ins Tessin.
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