Neulich hörte ich, wie im Tram eine Frau einer anderen Frau erzählt... Halt: eigentlich unterstelle ich ihr eine Absicht, denn sie sprach zwar mit dieser Frau, aber sie hatte ein derart grosses und lautes Mitteilungsbedürfnis und deshalb konnte ich nicht anders und musste mithören. Item, sie erzählte also dieser Frau von ihren Ferienerlebnissen und wie sie mit ihrem Wohnmobil, oder Camper oder wie man diesen Dingern sagt, in den Norden gefahren sei. Und dann kam die Leier von wegen dem Freiheitsgefühl und der Unabhängigkeit in diesem Camper und wie gut es den Kindern gefallen hat, wäre da nicht diese EINE Sache gewesen. Und diese eine Sache war dermassen störend auf diesen Campingplätzen (mittlerweile nennt man diese vielleicht auch anders), da gab es nämlich noch andere Schweizer! Jaja, die hatten also die gleiche Idee von Ferien. Und da konnte sich diese Frau darüber ärgern, weil diese Schweizer, die auch dort waren, erstens laut redeten und zweitens – und jetzt kommt’s – JEDER hörte, dass sie Schweizer sind. Und das im Norden. M-hm.
Und dann schaltete mein Mithörmodus aus und mein Phantasiemodus setzte ein. Warum in aller Welt regen wir uns auf, wenn andere Schweizer (ich schreibe übrigens aus lauter Bequemlichkeit Schweizer, weil dieses Genderzeugs mir so richtig auf die Nerven geht) am gleichen Ort in den Ferien sind und sich dann noch unterhalten? Liebe Freunde, es käme nun wirklich keinem Deutschen oder Amerikaner in den Sinn, sich über so etwas Gedanken zu machen und sich noch zu verstecken, damit man ja nicht bemerkt, dass sie eben Deutsche oder Amerikaner sind. Und das Wort «Bünzli» kennen die gar nicht.
Gleichzeitig stören wir uns daran, dass wir so Bünzlis sind und nicht aus uns herauskommen können. Ja, habe ich auch schon gehört.
Wir sind so! Und das ist gut so, denn so geht es uns gut und wir haben nun mal nicht das südländische Temperament, denn ansonsten hätten wir die Hausverwaltung auf der Pelle, wenn wir uns nach 22 Uhr auf dem Balkon mit erhöhtem Pegel über ein Fussballspiel unterhalten. Wir sind zuverlässig, sonst würde das Bahnnetz zusammenbrechen und damit auch das Telefonsystem der SBB, vor lauter Reklamationen. Und wenn wir nicht so sind, dann machen wir uns etwas vor, ist leider so. Da könnt ihr noch so mit der italienischen Vespa rumfurzen und den Barolo hochloben: Liebe Freunde, nichts davon macht euch zu einem heissblütigen Südländer, wo auch immer ihr das dann ausleben wollt. Und nur, weil ihr ach-so-weltbereisten Geschöpfe in der Boulangerie in der Provence, ein Baguette französisch bestellen könnt, macht es aus euch keine Französin, die morgens ein bisschen dem «Café au lait et Croissant»-Leben frönt.
Als ich letzthin an einer Besprechung war und ausschliesslich Frauen am Tisch sassen, hatte eine auf eine Bemerkung der anderen erwidert: «typisch Frau, ein Mann würde das nie sagen». Daraufhin musste ich ihr sagen: Wir sind ja auch Frauen! Wir sind so und jetzt akzeptiert das doch endlich, ihr Schweizer, ihr Frauen. Und wenn ihr es nicht ertragen könnt, Landsleute um euch zu haben, dann geht doch nach Sibirien in die Ferien. Oder ins Uralgebirge.
Sich nicht ducken, sondern hoch erhobenen Hauptes durch die Campingplätze flanieren und sich lautstark mit hochgradigem Akzent darüber aufregen, dass es auf dem Campingplatz kein Schweizer Bier gibt. Ha, das wäre was. Bei Sitzungen nicht wie Lady Di demütig auf die Tischkante blicken und denken «ach typisch Frau», sondern mal so richtig grediuse lachen und sagen, «so machen das die Frauen und das ist auch eine Variante».
Dann nämlich, mit der gesunden Portion Nationalstolz, würden auch unsere Fussballherren die Nationalhymne singen, so wie die Frauen es tun. Und nicht nur das, sogar die Trainerin, notabene eine Deutsche, singt die Schweizer Hymne.
Kann doch nicht so schwer sein, ein bisschen stolz zu sein.
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