Im Kanton Bern stehen diverse Wahlen bevor. Die Zeitungen sind nebst dem aktuellen unerfreulichen Tagesgeschehen entweder voll mit Wahlpropaganda oder Einschätzungen und Kritik der aktuellen Regierungsmitglieder. Die einen sind zu links, die anderen zu rechts und die Vorzeigelinke für die Rechten soll wieder gewählt werden und die Güggel sollen mal nicht so gereizt reagieren wegen ein bisschen Kritik. Es gibt solche, die natürlich wieder gewählt werden sollen, weil sie gemäss Zeitungen gute Arbeit geleistet haben und die, die nicht wieder gewählt werden sollen, werden nicht erwähnt. Weil, wir Schweizer*innen sind ja auch in dieser Frage neutral oder tun zumindest so, wenn wir uns nicht exponieren wollen. Sagen wir in so einem Moment die eigene Meinung klar, deutlich und direkt, wird das von unseren Mitmenschen nicht so goutiert. Es wird einem sogar aus den engen Reihen nahegelegt, das Thema zu wechseln und nicht ein Referat zu führen. Also habe ich mir gedacht, nutze ich meine eigene Plattform und schreibe einen Blog darüber.
Im Tram habe ich genügend Zeit, die Wahlplakate eingehend zu studieren, die Schlagwörter, die Parolen, die rausgehauen werden. Die Versprechen, dass mit der Wahl nicht alles, aber vieles besser wird. Ich lese, dass es bei einem Berner Regierungsratsmitglied einen runden Tisch im Büro gibt, weil dieses Regierungsratsmitglied lieber direkt kommuniziert als etwa über Twitter oder wie sie auch alle heissen. Und dann lese ich voller Bestürzung, dass Frauen, die sich zur Wahl stellen, hoffen, dass sie dann doch nicht gewählt werden, weil Kinder, Beruf, Haushalt, Hobbies, Politik, etc. etc. vielleicht doch nicht und überhaupt und so. Und diese unsicheren Frauen bittet man nun zu Tisch, damit die Frauen, die solche Ämter schon bekleiden, den noch unbekleideten Frauen nahelegen, ES zu tun, sich wirklich in dieses Haifischbecken zu stürzen, weil es wichtig ist.
Oder ich lese von einem Verband, der sich gross auf die Fahne geschrieben hat, «der nächste Präsident wird eine Frau». Und überhaupt sollen in diesem Verband bzw. in den einzelnen Kommissionen mehr Frauen einen Sitz und eine Stimme bekommen. Die Frauen werden fit gemacht mit einem so genannten Mentoringprogramm. Dieses Mentoringprogramm soll den Frauenanteil in regionalen und nationalen Verbandsorganen erhöhen. Dazu lese ich folgende Passage in der Branchenzeitung:
Elf Frauen sind im Herbst 2021 in das neu lancierte Programm gestartet, das sich an aktive ………… und weibliche Mitglieder von Vorständen richtet. Unterstützt werden sie von einer Mentorin und sechs Mentoren, die alle viel Erfahrung und Wissen in der Verbandsarbeit mitbringen.
Und nun kommt wirklich der Moment, in dem ich solche Sachen nicht mehr ernst nehmen kann. Das Frauen-Mentoringprogramm dieses Verbandes wird also von einer Mentorin und sechs Mentoren geleitet. Lieber Verband, danke für diesen Lesemoment, den ich erst für einen Stolperer gehalten habe und dann in der Zeile wieder hochgerutscht bin, um sicher zu gehen, doch das steht hier so.
Ich habe einmal geschrieben, es muss ein Miteinander sein, Frauen und Männer müssen die Arbeit egal ob Arbeitsplatz, Politik, Verband, Verein etc. miteinander tun, nur so geht es. Gleicher Lohn, gleiche Arbeit, gleiche Rechte. Keine Quote – aber Kompetenz. Und Frauen, jetzt steht endlich auf und geht euren Weg ebenfalls, egal ob Arbeit, Politik oder Verband oder was auch immer. Aufrecht und mit dem Selbstvertrauen, welches unsere Mütter und auch Väter uns auf den Lebensweg mitgegeben haben.
Vielleicht denken nun einige von euch, ich möge einen einfachen Weg gewählt haben und könne hier so locker aus dem Handgelenk schreiben. Ich denke nicht, denn ich bin mit drei älteren Brüdern gross geworden. Ich habe einen Berufsweg gewählt, der nicht unbedingt mit Rosenblättern geschmückt war und ich habe eine Lebensform gewählt, die nicht nur einfach war und ist. Und wenn ich diesen Blog durchlese, weiss ich auch, warum ich nie für so ein Amt in Frage komme – wer will sich schon mit einer Wutbloggerin an einen Tisch setzen?
Next please.
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