Liebe Stadt Zürich
- tinamueller33
- 18. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Mai

Ich bin immer wieder begeistert von dir, von deiner finanziellen Macht und deiner Geschwindigkeit und deinem Ranking in den Top 10 der internationalen Städte. Jedes Mal, wenn ich dich besuche, zeigst du dich von deiner besten Seite, denn Qualität und Sein hat seinen Preis. Da dackeln also die Berner Landeier an einem Sonntag nach Zürich, mit dem Ziel «Konzert im Hallenstadion». Doch dazu später.
Wenn wir denn schon nach Zürich reisen, dann kann man endlich das FIFA Museum besuchen, anschliessend nach ZH-Oerlikon tuckern, vor Ort essen und sich dann musikalisch noch die Kante geben. FIFA Museum an einem Sonntag ist für kinderfreie Menschen eine beinahe-Zumutung. Das Museum ist für Fussballfreunde super. Es gibt viel zu lesen und zu sehen, und aus irgendeinem Grund befinden sich diese Sehenswürdigkeiten in diesen Vitrinen. Damit die Sirupfingerchen nicht edle, alte Trikots fingern. Aber man kann auch mit der Zunge entlang der Vitrinen fahren und den Söifer verschmieren, das habe ich an diesem Sonntag gelernt.
Dann, Starbuckscafé gleich vis-à-vis. Sonntags sind ja all diese Cafés oder Bars oder Workspace-Hallen geschlossen. So dann. Auch bei Starbucks macht sich der Fachkräftemangel spür- und sichtbar. Ich bin wirklich zu alt, für zwei simple Cappuccinos, die man selber holt und an einem verschmierten Tisch trinken soll fette 12 Hämmer hinzulegen. Dann brüllt ein Carlos (seines Zeichens Barista) durch die Hütte: «Gina» – das wäre ich –, damit ich die mit Milchschaum verschmierten Tassen abholen kann. Aber ja, sälber tschuld. Das Publikum war jedoch der Preis wert. Die Frauen unisono in langen Mänteln, Handy vor dem Mund, Haare so blond – beinahe weiss oder dann so braun, sie sind beinahe schwarz. Wer das Buch «Momo» gelesen hat, weiss was und wie ich es meine. In Zürich, meine Freunde, in Zürich redet man eigentlich kein Züridütsch mehr, näi näi, man redet Englisch, auch die Starböckler, die reden nur Englisch, die verstehen schon gar keine Simmentaler Kuh. Zeit also für die Gruppenverschiebung nach Oerlikon zum Hallenstadion, wo früher der Erzfeind, der Z gespielt hat.
Ja, es ist tatsächlich so, Andrea Berg stand also auf dem Ticket. Und jede und jeder, der jetzt verächtlich den Mund verzieht und mich nicht versteht, bitte erinnert euch, auch ihr habt schon heimlich im Auto die Lautstärke, exgüsee, das Volume aufgedreht oder im Après-Ski mitgesungen oder zumindest mit dem Fuss gewippt. Allein im oberen Stock zu stehen und die Fans zu beobachten, ist einfach wunderbar. Man sieht auch, wer zum Konzert mitmusste und wer im OK sitzt. Man sieht die himmelschreiendsten Kombinationen. Es ist und bleibt eine wunderbare Sache, Menschen zu beobachten und zu «werweisen». Da wir vorher gegessen haben, weil ich es nicht so mag, stehend einen Burger zu essen oder aus dem Pappbecher oder Plastikbecher zu trinken, hatten wir freie Bahn inklusive Geruchsverschmelzung. Ich habe eine interessante Beobachtung gemacht, nämlich ist es bei den Konzertbesuchern so wie bei den Vielfliegern. Ihr wisst schon, diejenigen, die wissen, wie es geht, weil man natürlich schon an gefühlten Tausenden von Konzerten war und genau weiss, wie man wann wo sein muss. Das sind diese Menschen, die mit einem selbstgefälligen Modellächeln durch die Reihen zu ihren Plätzen marschieren, die sie natürlich nur durch bestes Wissen gebucht haben. Man gibt sich locker, entspannt, allwissend und lässt die Gabe des absoluten Timings spüren und sehen. Kurz vor Konzertbeginn noch locker wohin auch immer, aber sehen sollte man ihn oder sie und das gehört schliesslich zum Game. Und plötzlich stehen sie neben mir und schauen auf die Tickets und dann wieder auf die Reihe und sie, sie sind für mich das lebende Klischee Züriberg. WIR fragen höflich welche Reihe denn auf dem Ticket steht, ER liest vor. Wir antworten: ...«falsche Reihe, ihre Reihe ist auf der anderen Seite.» SIE ganz schön giftig zu UNS (wir sind die Helfenden): «Das hat man uns so nicht gesagt und warum haben die uns jetzt hierher geschickt.»
Isch das Gopfnomal mis Problem?! Dann zack zwischen uns nur noch die Treppe. Und ich habe sie im Blick, sie im Blümchenkleid, Haare toupiert, Schmuck im Wert von weiss nicht wie vielen Konzertreihen. Er in klassisch englischem Stil gekleidet mit Schnauz. Und ich frage mich die ganze Zeit, warum die an einem solchen Schlagerkonzert sind, die passen gar nicht dahin. Freunde, die haben geklatscht, als wären sie in der Staatsoper. Freundlich höflich, nicht auffallen, aber dabeisein.
Vor mir sass ein Paar die hatten Freunde im Publikum und dann dies: Sie nimmt das Handy ruft die Freunde an, ich habe die Freunde schon längst ausgemacht, obschon ich nicht mit ihnen am Telefon war. Frau vor mir hob ihren Arm und winkte wie wild und sagte ihnen sie müssen links schauen und dann seien dort blaue Stühle und dann rechts von der Türe und den Gang runter. Da würde ich auch nicht wissen, wo ich denn nun hinschauen muss, weil sind wir doch mal ehrlich, warum eigentlich ruft die ihre Freunde an, um ihnen zu sagen, wohin sie winken müssen? WARUM?
Und zu guter Letzt. Auch hier gab es Sirupfingerchen, die mit ans Konzert durften. Die rennen dann auch während dem Konzert rum, weil sie sich langweilen. Aber vielleicht hat man diese Sirupfingerchen dort besser im Griff und unter Kontrolle, als wenn sie alleine zu Hause sind und die Nachbarn anrufen, um ihnen zu sagen, ob sie mal rüber winken wollen.
Wie das Konzert war? Ehrlich? Es war einfach der Hammer und ich habe auch mit dem Füsschen gewippt und ich habe es genossen. Den ganzen Tag, aber das Konzert am meisten. Danke Zürich für deine Grosszügigkeit und eines, liebes Zürich, muss man dir lassen: Organisation könnt ihr und so vieles mehr.
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