Ich war Ende März in Lyon und das in einer perfekten Kombination, nämlich mit lieben Freunden, die mir diese Tage geschenkt haben. Schon die Vorfreude war riesig und endlich kam der Tag und wir fuhren also nach Lyon und die Reise nahm ihren Lauf.
Bereits auf dem Felsenau-Viadukt (nach notabene zehn Minuten Fahrzeit) gab es Kaffee und selbst gemachte Pain au Chocolat. Und als wir Richtung Grenze fuhren, war uns nach Cava und so haben wir Cava getrunken (der Chauffeur trank übrigens immer Kaffee), also ungefähr um 10:30 Uhr am Morgen hatten wir schon richtig Kurvenöl intus, die Laune stieg und mit der Laune die Lautstärke und wir waren aufgeregt, um nicht zu sagen aufgedreht.
Kennt ihr das, das Sich-Zurechtfinden in einer fremden Stadt in Sachen ÖV. Ich habe gelernt, es gibt auch hier verschiedene Szenarien und Mittel. Die einen gehen es noch altmodisch an, mit diesen kleinen Plänen, wo die Linien in Schriftgrösse Arial 6 eingezeichnet sind, und mit jedem Falten werden die Linien unleserlicher. Dann gibt es dasselbe in Grün auf dem Handy. Und während die einen auf dem Handy vergrössern und verkleinern und sich am Hinterkopf kratzen und die anderen mit dem Plan mitten auf dem Trottoir stehen und den Plan immer wieder in die richtige Richtung drehen, gibt es noch diejenigen, die dann einfach mal nachfragen. Das wäre ich. Der Weg zum Fussballstadion war schon eine Wucht, aber der Weg zurück war dann die Odyssee schlechthin. Weil dann ist man müde und durchgefroren und man möchte nur noch auf dem chemin direct nach Hause und wir haben es dann auch geschafft, wenn auch mit etwa einer Stunde Verspätung. Aber wir haben nie die Nerven oder die gute Laune verloren, weil es geht nur darum, die richtige Linie zu finden.
A propos perfekte Linie. Am Tag zwei wollten wir Lyon in Touristenmanier erleben. Meine Freunde haben eine Bustour gebucht. Die «Ligne verte» … Das Finden der Haltestelle war eine Herausforderung, aber wir haben es geschafft. Meine Freunde haben diese Tour von zu Hause gebucht, mit Handybuchung und Code und überhaupt. Dann sassen da zwei Chauffeure für sage und schreibe acht oder zehn Personen, wir standen immer noch in der Kälte und die Check-ins der Ligne verte zogen sich dahin. Dann Check-in ab Handy. Freunde, ich dachte ich sei in France, der Grande Nation, aber ich hatte das Gefühl, die haben diese Art von Buchung noch nie gesehen. Es dauerte seine Zeit und endlich sassen wir im Bus – einem Cabriobus, aber vorsorglich unten auf einem Plastiksitz, der sogar noch die Kälte eines Stadionplatzes übertraf. Aber wir liessen uns nicht unterkriegen, kaum losgefahren rannte ein Tourist auf uns zu und winkte und klar, wir hatten Verspätung, aber diesen Amerikaner nahm man dann auch noch mit. Man konnte auch aus dem Bus aussteigen und dann wieder zusteigen, also ideal. Haben wir gemacht, um die bekannte Kathedrale zu besuchen. Als wir zur Busstation zurückkamen, sahen wir die Ligne verte nur noch von hinten. Es war immer noch kalt. Also Kaffee in einem Bistro. Lagebesprechung mit dem Resultat, die Ligne verte hatte noch den Fahrplan Zwischensaison und es würde dauern, bis die nächste Ligne verte kommt. Dann haben wir das ganze einfach auf unsere Art gemacht. Wir hatten die Zwischenzeit genutzt und uns Sehenswürdigkeiten ohne Ligne vert angesehen und dann sind wir mit ÖV und Plan und Handy und verpassten Linien wieder zum Ausgangspunkt gegangen und stiegen erneut in die Ligne verte, um die ganze Tour am Stück zu sehen. Bevor wir losgefahren sind und durchgefroren auf unseren Plätzen sassen, hat sich der Chauffeur noch mit Zahnseide am Seitenspiegel seine Essensreste rausgeknübelt und nach dem Zahnhseidenspektakel gab es dann noch ein öffentliches Zähneputzen, ebenfalls im Seitenspiegel, was uns zur Diskussion anstiess, ob man nun vor oder nach dem Zähneputzen mit der Zahnseide oder doch nicht oder was auch immer. Item – der Chauffeur hatte schöne Zähne und wir eine schöne Fahrt.
Normalerweise regen mich solche Sachen auf und mir fehlt die Geduld und auch das Verständnis. Aber Lyon – mit Freunden, mit Kir Royal (was ich normalerweise auch nicht trinke), mit Pain au Chocolat (inklusive Magenbrennen, aber egal), mit Spitzen-Frauenfussball, mit ÖV, mit Schneeregen und klatschnassen Füssen, mit Kronenbourg, mit Les Halles de Paul Bocuse, mit all diesem französichen Savoir-vivre, mit der Ligne verte und all diesen Eindrücken – war schlicht perfekt.
Perfekt, weil es in einer Zeit war, in der grad nichts perfekt war, in einer Zeit der erneuten Ungewissheit, in einer Zeit mit Sorgen, Stress und Druck, in einer Zeit, in der es viel zu entscheiden gibt und vieles in Frage gestellt wird.
Danke an all diese Lyonmitfahrer*innen. Ihr habt mich aus diesem so unsinnigen Trott rausgerissen und wir hatten drei Tage nichts anderen zu tun, als unseren Linien hinterherzurennen und dies notabene immer ein bisschen halbgefroren. Das war noch richtig Drama wie in einem französischen Film.
Übrigens die nächste Reise ist in Planung notabene in gleicher Formation. Turin.
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