Als ich Kind war, waren die University Pullover total en vogue. Es gab sie in Bordeauxrot, Grau, Dunkelblau, Hellblau und so weiter. Meine Brüder hatten alle einen solchen Pullover und überhaupt, die waren einfach absolut in. Ich hatte eine Gotte, wie sie sich jedes Kind wünscht; jung, unverheiratet, fuhr einen weissen Fiat 124 und ich war so stolz auf sie. Diese Gotte schenkte mir im zarten Alter von acht oder neun Jahren auch einen University Pullover und zwar nicht University of New York, LA oder Boston oder so, nein nein. Ich bekam einen babytürkishellblauen Pullover und in der Mitte war in Gelb eine Palme und über dieser Palme prangerte der Schriftzug «University of Honolulu». U n v e r g e s s l i c h. Ich liebte diesen Pullover und in ganz Zweisimmen hatte niemand einen solch wahnsinnig aufregenden University Pullover. Ich trug dieses Teil Tag und Nacht und eines Tages war er weg. Meine Mutter musste ihn entsorgen. Er war einfach durchgetragen und hatte Löcher und mit einem löcherigen Pullover ging man schliesslich nicht zur Schule und ausserdem ist er durch das viele Waschen etwas aus der Form geraten. Vielleicht war auch ich etwas aus der Form geraten. Honolulu – Hawaii – da wollte ich hin, das war mein grosser Traum. Denn der Pullover war auch ein Traum. Diesen Traum erfüllte ich mir, als ich 40 Jahre alt wurde. Es war aufregend und es war wunderschön und ich erfüllte mir endlich den Kindheitstraum und alles dank dieses Pullovers. Ich halte nicht viel von Kalendersprüchen oder diesen Tagesweisheiten, untermalt mit einem Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang und auch nicht von einer Blumenwiese oder einer Möwe auf blauem Himmel. Wenn ich die Sprüche lese: «Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum» oder «make dreams come true» – äch nüt für mi. Es gibt nämlich keinen Spruch, wenn der Traum vorbei ist. Als ich im Flugzeug sass vor acht Jahren, da wusste ich, jetzt Tina warst du also auf Hawaii. Und nun? Jetzt könnte ich mir einen neuen Pullover kaufen oder ich lasse den Globus kreisen, schliesse die Augen und tippe mit dem Finger auf ein Land. Ich könnte Freunde einladen und die würden mir dann Reisetipps geben, was ich übrigens nicht mag, weil die nur Tipps geben, die ihnen gefallen. Das hat was, wie wenn Leute zu wissen meinen, was mir guttut. Eine Kollegin pflegt da immer zu sagen: «Sitzt du in mir drin, wenn du weisst, was mir guttut?» Wenn ein Kind Spinat nicht mag, wird es den Spinat auch nach zwei Stunden vor dem Teller sitzen nicht besser mögen. Ich werde also nicht mit einem Camper verreisen, weil ich Campingplätze grundsätzlich nicht mag. Dabei geht es nicht unbedingt um die Campingplätze, sondern eher um das Campingfeeling. Das mag gut sein für andere, für mich nicht. Ich mag auch nicht auf eine Safari gehen, weil ich es schlicht doof finde, mit einem Land Rover durch die Serengeti zu brausen, um bei Sonnenuntergang einen Löwen zu fotografieren. Ich will auch nicht meine Grenzen austesten, in dem ich mir zum Ziel setze, den Mount Everest zu besteigen. Ich muss in kein Land, wo alles billiger ist und alle freundlicher sind, als bei uns zu Hause. Ich mag in keine Länder gehen, wo mir etwas passiert und man vielleicht noch Lösegeld zahlen muss, damit ich meinen Kick hatte. Es könnte nämlich sein, dass niemand Lösegeld für mich zahlt und ich irgendwo in einem Land, wo Frauen eh keine Rechte haben, mit meinen Entführern ein Stockholmsyndrom zu erzeugen versuche. Ich kauf mir lieber einen Pullover mit dem Schriftzug «Ticino». So geht das.
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